Am Sonntag Nachmittag hatten sich mehrere Zehntausend Menschen am Rheinufer versammelt und zeigten mit einem Flaggenmeer aus türkischen Flaggen und einigen wenigen deutschen Flaggen eine deutliche Sympathie für die Politik des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan. Die Presse berichtet von dem deutschen Ableger der türkischen Regierungspartei, die die Veranstaltung organisiert hat. Lange gab es Streit darum, wer auf der Demo Köln reden darf und ob diese aus Sicherheitsbedenken überhaupt wie geplant stattfinden darf.
Die Demonstrationsfreiheit gehört zu den Kernfreiheiten der Demokratie
Die Demo Köln hat unter anderem deshalb ein so großes Echo in der Berichterstattung gefunden, weil es nicht um ein klassisches Thema wie Abrüstung, Kernenergie oder die Frage der Freihandelsabkommen oder die Positionierung in der Flüchtlings- oder Asylpolitik ging.
Vielmehr wurde zuerst eine Demonstration für die Politik der türkischen Regierung angekündigt, die auf eine ziemlich aufgeheizte öffentliche Meinung traf: Ministerpräsident Erdogan seinerseits beschneidet viele demokratische Freiheiten und machte zuletzt durch aggressive Einschüchterung der Medien Schlagzeilen.
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass es nicht etwa in der türkischen Hauptstadt, sondern in Köln zu einer pro-Erdogan Kundegebung kommen sollte. Da der Veranstalter keine offensichtlich verfassungswidrigen Ziele verfolgt musste die Demonstration genehmigt werden.
Spielen mit den Grundrechten und Provokationen durch den Veranstalter?
In der letzten Woche gab es eine ziemliche Verwirrung um die konkrete Gestaltung der Demonstration: Mal war ein Besuch des türkischen Staatschefs im Gespräch, mal eine Videoschaltung zu ihm. Die Stadt Köln als Genehmigungsbehörde wollte dieser Anforderung der Veranstalter nicht entsprechen und genehmigte diesen Teil nicht.
Darauf hin zogen die Veranstalter vor Gericht und erlitten eine Niederlage. Konkret ging es dabei um die Frage, ob ein ausländischer Staatschef immer und uneingeschränkt an einer Demonstration teilnehmen und dort sprechen darf. Insbesondere im Hinblick auf die kürzlich erfolgten Säuberungen und weiterem nicht rechtsstaatlichen Vorgehen.
Der Artikel 8 des Grundgesetzes sieht das Demonstrationsrecht für alle deutschen Staatsbürger vor. Deshalb kann die Verwaltung ausländische Redner genehmigen, muss es aber nicht. Die Veranstalter änderten darauf hin mehrfach die Rednerliste und spielten auch ein bisschen mit der Öffentlichkeit.
Video: Köln Erdogan Demo WDR Sondersendung Köln 31 07 2016 16,45h
NATO-Partner, aber nicht EU-Mitglied: Die Spannung bleibt!
Die Pro Erdogan Demo Köln ist zudem vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage zu sehen: Der Türkei wird vorgeworfen, internationales Asylrecht zu brechen und Flüchtlinge willkürlich an der Weiterreise zu hindern bzw. nach Bildungsabschlüssen zu selektieren.
Ein „Flüchtlingspakt“ zwischen der EU und der Türkei ist in Kraft getreten und soll die Migration in geordnete Bahnen lenken. Irgendwie scheint aber die Türkei unter Erdogan auf dem Weg heraus aus der Westbindung zu sein und in vielen Bereichen nicht mehr frühere, rechtsstaatliche Maßstäbe anzulegen.
Deshalb fragen sich viele Beobachter, welchen Zweck denn die „pro Erdogan“ Demo gehabt haben könnte! Ein möglicher Zweck könnte die Meinungsbildung gegen die Regierung Merkel sein, die ja weiterhin den Weg der Stärkung der Europäischen Union verfolgt.
Trotz allem: Ein Feiertag für die Demokratie
Nach dem friedlichen Verlauf der Demo Köln kann gesagt werden: Es war – trotz der Umstände und des langen Hickhacks – ein echter Feiertag für die Demokratie. Die Menschen konnten ihre Meinung frei ausdrücken, auch wenn sie nicht dem allgemeinen Bild oder der Mehrheitsmeinung entsprach.
Für diese Werte engagieren sich beginnend bei den Ehrenamtlichen in Politik oder Sozialverbänden über viele Angestellte im öffentlichen Dienst übrigens auch die Bundeswehrsoldaten in diversen, gefährlichen Auslandseinsätzen.
Deshalb können und sollten wir auf dieses Wochenende mit Stolz zurückblicken. Ähnlich wie diverse Demonstrationen von Pegida auf der rechten Seite oder antifaschistischen Gruppen auf der linken Seite ist die Demonstrationsfreiheit eines der höchsten Werte der Demokratie.
Titelbild: © istock.com – James-Alexander