Unterwartet schaffte es das Lied „Menschen Leben Tanzen Welt“ des Fernsehsatirikers Jan Böhmermann kürzlich in die Charts. Besondere Prägnanz erhält das Thema durch die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte des Songs, mit dem Böhmermann wieder einmal deutlich macht, wie unscharf die Grenze zwischen Satire und reiner Provokation ist.
Der Mann hinter dem Böhmermann Lied
Jan Böhmermann wurde 1981 in Bremen geboren. Nach verschiedenen Stationen als Journalist, Radio- und Fernsehmoderator wechselte er im Laufe seiner Karriere zunächst von ernsthafteren Themen in den Bereich Comedy und machte zuletzt vor allem mit verschiedenen satirischen Kampagnen auf sich aufmerksam.
Wurde er mit seinem Neo Magazin Royale einem breiteren Publikum bekannt, gelang ihm spätestens im März 2015 der Durchbruch mit seinen Manipulationsbehauptungen zu einem Video des griechischen Ministers Varoufakis. Als Ergebnis erhielt er 2016 den Grimme-Preis in der Kategorie Unterhaltung/Spezial – Innovation.
Unvergessen ist sein bis heute allgegenwärtiges Schmähgedicht über das türkische Staatsoberhaupt Erdogan, aus dem die so genannte Böhermann-Affaire resultierte.
Der Stein des Anstoßes
Worum geht es in diesem Böhmermann Lied, dass es als Aufreger der Massen taugt? Zunächst erscheint der Text des Liedes unspektakulär und reiht sich mit der Beschwörung des Gute-Laune-Gefühls sowie emotionalen und tiefgründigen Passagen in die lange Reihe bekannter Popsongs ein, die deutschlandweit die Musikwelt dominieren.
Auch das zum Böhmermann Lied gedrehte Video greift mit Darstellungen und den derzeit vorherrschenden Gestaltungskanon gängiger Musikvideos auf, so dass auf den ersten Blick auch hier wenig Konfliktpotenzial zu finden ist.
Erst zum Ende des Clips kippt der Eindruck schlagartig mit der Erklärung zur Entstehung des Songs: Der Text des Böhmermann Lieds wurde offenbar von 5 Schimpansen des Gelsenkirchener Zoos beliebig aus vorgefertigten Textfragmenten aneinandergefügt.
Mit diesem Wissen erscheinen die vorangegangenen Textzeilen und Bildeindrücke plötzlich als das, was Böhmermann nach eigener Aussage beabsichtigte: Er führt die aktuelle deutsche Popwelt vor und belegt in 4 Minuten die Belanglosigkeit, Beliebigkeit und Inhaltsleere zahlreicher Künstler derzeitigen Mainstreams.
Video: Jim Pandzko feat. Jan Böhmermann – „Menschen Leben Tanzen Welt“
Berechtigter Hype oder Trittbrettfahrer vorangegangenerAufreger?
Betrachtet man vergleichbare, nicht minder begabte Parodien unbekannterer Künstler, stellt sich die Frage, warum ausgerechnet das Böhmermann Lied „Menschen Leben Tanzen Welt“ erneut zum Skandal taugt. Sicherlich zeigt Böhmermann auch dieses Mal seinen Sinn für den Nerv unserer Generation und parodiert zielsicher und konsequent. Allerdings beinhaltet der Song weder nie gesehene Motive, noch neue, bahnbrechende Ideen. Neutral betrachtet könnte man von einer handwerklich gut gemachten Persiflage eines bereits bekannten Themas sprechen.
Doch genau hier schlägt Böhmermann aus der Reihe seiner Mitsatiriker, denn sein Lied stellt eben kein für sich gut gemachtes Einzelwerk dar. Es erscheint gegenüber den vergangenen, politisch brisanten Affaire num Böhmermann zwar geradezu harmlos, reiht sich aber nahtlos in die gesamte Präsenz und Tätigkeit Böhmermanns ein und zeigt so die gesamte Breite seines Schaffens. Es kritisiert eben nicht für sich genommen einen Einzelaspekt unserer Gesellschaft, sondern ergänzt sein Gesamtwerk zu einer umfassenden Gesellschaftskritik.
Echo 2018 für Schimpansen?
Letztendlich erscheint der Hype um das Böhmermann Lied eher überspitzt und resultiert sicherlich weniger aus dem Lied allein, als viel mehr aus den Diskussionen um das Lied, die Böhmermann mit gezielten Spitzen weiter am Leben zu erhalten versteht.
Wie viele andere „Aufreger“ unserer Generation wird aber auch „Menschen Leben Tanzen Welt“ wohl bald wieder im Nebel des Unwichtigen verschwinden, um voraussichtlich pünktlich zum nächsten Eklat um den Satiriker Jan Böhmermann wieder ausgegraben zu werden. Es bleibt zu hoffen, dass der Echo 2018 nicht tatsächlich, wie von Böhmermann erhofft, an fünf Schimpansen des Gelsenkirchener Zoos vergeben werden muss.
Titelbild: © istock – JJMaree